Donnerstag, 22. November 2007

Der Kommissar geht um...Oder: der Grünling schreibt im Fieber

Von schweren Krämpfen geplagt saß der Kommissar im dunklen Erker seiner Unterkunft, fiebernd nach der Ursache seines Leides suchend. Was war geschehen, seit er vor 10 Tagen seinen Urlaub angetreten hatte? Hatte ihn jemand vergiftet, ihn, den mittelmäßigen Kommissar, den alle nur Mr. Green nannten? Wie zur Bestätigung seines Verdachtes ließ eine Sturmböe den Regen prasselnd gegen seine Fensterscheiben schlagen. Erschreckt fuhr der Kommissar zusammen, zitternd griff er nach seinem Notizbuch, dass ihn stets auf seinen Wegen durchs Leben begleitete. Nur langsam konnten seine Augen ein scharfes Bild seiner Notizen liefern, der Schweiß stand ihm vor Anspannung und Konzentration in Perlen auf der Stirn.

Alles hatte - wie üblich - ganz harmlos begonnen. Nachdem Mr. Green einen internationalen Straftäter gefasst und dessen Auslieferung in die Niederlande überwacht hatte, bat sein Vorgesetzter zum Gespräch unter vier Augen. Der Kommissar ahnte bereits was sein Chef ihm vorschlagen würde: Urlaub. Nachdem er sich anfangs gegen die bestimmenden Worte gestemmt hatte, reichte ein kurzer Blick in den Spiegel um seine Meinung zu revidieren. Tiefe Augenringe und Falten auf der Stirn gingen Hand und Hand mit einem Gesicht, das keinerlei Vergleich mit einer weißen Wand hinsichtlich seiner Farbtiefe scheuen musste, sanft schimmernd erahnte man die blauen Blutgefäße unter dem spärlichen 3-Tages-Bart. Seufzend trat Mr. Green den wohlverdienten Urlaub an, 10 Tage der Erholung und Entspannung sollten es werden, es kam jedoch - wie üblich - ganz anders.

Bereits am zweiten Tage rief bereits einer seiner Freunde aus der französischen Provinz, Gildas, zur offiziellen Geburtstagsfeier, es galt ein Vierteljahrhundert zu feiern, ein Umstand, der den Kommissar durchaus nachdenklich stimmte. So sollte er selbst nur wenige Wochen darauf diesen Freudentag begehen was wie jedes Jahr wieder viele Fragen aufwarf: Hatte er sein Leben bis jetzt vergeudet? Warum hatte er noch nicht mehr erreicht? Warum war er immer noch nicht erwachsen geworden? Im Urlaub, so dachte sich Mr. Green, der in seiner Freizeit Christoph hieß, sind solche Fragen jedoch unangebracht, eine mögliche Beantwortung wurde auf ungewisse Zeit vertagt. Ehrlich gesagt wäre der hartgesottene Polizist auch nicht mehr zu rationellen Gedankengängen fähig gewesen als er die Party seines Kumpanen verließ. Wie üblich war das Bier viel zu schnell zur Neige gegangen, das Nationalgetränk der Russen war aus den Untiefen des Gefrierschrankes aufgetaucht und hatte dem Kommissar einen King-Kong auf die Schulter gesetzt, so quasi als Dolmetscher für das unter dem Vodka leidende Englisch des Schnüfflers. In jener undefinierten Sprache versuchte er schließlich den Partygästen seinen Gemütszustand näher zu bringen, dass der Erfolg ausblieb mag nun wenig zu verwundern. Auf dem Nachhauseweg wurden schließlich Sternbilder analysiert, worunter Laternen und Aussenspiegel ebenso zu leiden hatten wie die spannungslose Transporthülle der Seele des Kommissars.


Der nächste Tag galt dem eigentlichen Ziele des Urlaubs, nämlich der Erholung, die Aufgabe wurde bravourös mit der Hilfe zahlreicher DVDs gemeistert. Tags darauf sollte jedoch bereits die nächste Attacke auf das Wohlbefinden Mr. Greens stattfinden, auf der örtlichen Universität war zum Konzert geladen worden und als wahrer Kulturliebhaber konnte sich der Kommissar diese Darbietung der hohen Gesangeskunst nicht entgehen lassen. Um den Abend nicht ohne erheiternde Gesellschaft verbringen zu müssen, wurde eine Runde knallharter Cops zum Feste geladen, ob sie nun spanischer, niederländischer, deutscher oder gar österreichischer Nationalität waren. Noch bevor die ersten Schallwogen aus den zahlreichen Speakern ertönt waren, waren unsere Ritter des modernen Rechts dazu übergegangen, all die furchtbaren Erlebnisse ihrer Dienstzeit von der menschlichen Festplatte zu löschen. Als schließlich zwei bezaubernde Engel die Bühne betraten, kannte der Jubel auch schon keine Grenzen mehr, es wurde applaudiert und gejubelt, was den Rest des Publikums manchmal ziemlich irritiert zurückließ. Viel zu schnell hatten die Bands - zugegebener Maßen nicht sonderlich einfallsreichen - Kreationen zum Besten gegeben und die Mannen etwas enttäuscht zurück gelassen. Grund genug, das Formatieren im heimischen Wohnzimmer fortzusetzen, bis der niederländische Kollege sich immer stärker farblich von der Couch absetzte und sich schließlich als lebende menschliche Fontäne in der Küche inszenierte, ganz großes Kino. Auch der Blick des Kommissars war bereits getrübt worden, er zeigte bereits leichte Anzeichen einer Vergiftung, doch traute er keinem seiner Untermieter eine Attacke auf seine Gesundheit zu.


Diese ritt Christoph bereits am nächsten Morgen, als zum Frühstück zum klassischen Tag zwei bei Bier und Chilli geladen wurde, ein gewisse Sentimentalität durchfuhr den Urlauber, die Heimat, die er vor langer Zeit verlassen hatte, schien plötzlich greifbar nah, mag auch am Gerstensaft gelegen haben. Der Stand des Blutalkohols ließ sich am Nachmittag schließlich an der Größe der Augen eines eintreffenden Gastes (eine begabte junge Fotografin aus deutschen Landen) eines der Untermieter ableiten, die biergeschwängerte Luft lag schwer über den Räumlichkeiten des Kommissars. So wurde schließlich doch ausgenüchtert, ein durchaus schwieriges Unterfangen, speziell wenn gegen Mitternacht ein Club gestürmt wird, wenn auch nicht in SWAT-Manier. Als Mr. Green als jene verdächtigen Gestalten musterte, die stark wankend und zu fünzig Prozent mit Minirock bekleidet über die Tanzfläche wankten, spürte er erneut die schwere, kalte Pranke des schlechten Gewissens auf der Schulter, King Kong braucht auch seinen Urlaub, of course. Der Sonntag wurde dem eigentlichen Sinne des Wortes Entspannung zugeführt, inklusive Kinobesuch, ein durchaus teures Unterfangen im regnerischen England, auch wenn speziell die amerikanische und spanische Marschverpflegung die Kosten in die Höhe trieben.


Der Sonnenschein war England in der folgenden Woche auch weiterhin untreu geblieben, die Gemüter der internationalen Wohngemeinschaft hatten sich gewissenhaft an das Grau der Umwelt angepasst, auch Mr. Green verfiel einem gewissen Schwermut, speziell als ihm zur Gewissheit wurde, dass er für einen freizeitlichen Wettkampf im Projekt-Management einen Anzug benötigen wurde. So wurde das wohl hoffentlich bald eintreffende Geburtstagsgeld, so quasi die Weihnachtsremuneration, bald an den Kommissar überwiesen, war sein neuer schwarzer Anzug doch nicht unbedingt ein Schnäppchen gewesen.



Als es schließlich zum Showdown des Wettkampfes kommen sollte, meldeten sich bereits schwere Krämpfe im Körper Mr. Greens, eisern wurde jedoch 4 Stunden vor der kritischen Jury präsentiert und argumentiert, wobei in diesem Falle vier englische Mitstreiter dem Kommissar zur Seite standen. Während der Preisverleihung war der körperlich Zustand schon klar am Gesichtsausdruck des tapferen Kommissars abzuleiten, der Verdacht einer toxischen Vergiftung kam in ihm auf. Hatte jemand versucht, seine Chancen auf den Gewinn des Wettbewerbs zu mindern und ihn aus den Rennen zu werfen? War es gar der milliardenschwere Juror (1,3 Milliarden Pfund Privatkapital - irre!!) mit seiner charmanten Art und glitzernden Armbanduhr (noch irrer, ein wahres Arsenal an Diamanten) gewesen, um seiner Gruppe die Geschäftsidee zu stehlen? Oder war es das Thunfischsandwich, dass nicht unbedingt den frischesten Eindruck gemacht hatte? Gerade als die Lösung so nah schien, wurde das Ergebnis verkündet, ein knapper zweiter Platz unter vierzig Mannschaften stand zu Buche, mögliche Finanzierung inklusive. Wie in Zeitlupe schleppte sich der Kommissar auf die Bühne, mit schwachem Blick und kalten, feuchten Händen die Gratulationswünsche entgegennehmend.

An den Feierlichkeiten konnte Mr. Green nicht mehr teilnehmen, viel zu attraktiv erschien ihm das Badezimmer in seiner Sterilität und Abgeschiedenheit, zumal die Euphorie seines Teams auch mit dem Scheitern der englischen Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation zu kämpfen hatte. Es war der Thunfisch gewesen, alle anderen Möglichkeiten waren unserm Exekutivorgan zu vage, zu obskur. Vielleicht waren es aber einfach die schwindenden Kräfte, die Mr. Green an einer erfolgreichen Klärung des Falles zweifeln ließen.

Doch der Kommissar wird wiederkommen meine Lieben, wird vielleicht in anderer Form von seinen Erlebnissen im englischen Winter erzählen, so gilt auch dieser kleine Krimi, der am Ende zwar nicht spannend aber hoffentlich unterhaltend war, nur als weitere Fingerübung des Grünling, auf der Suche nach Stil und Sinn seiner Schreibereien.


Hochachtungsvoll, Mr. Green.

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