Samstag, 29. September 2007

A few more days in GB



Gleich zu Beginn, meine Lieben, möchte ich mich für die zahlreichen Beileidsbekundungen eurerseits angesichts meiner etwas ungewöhnlichen Wohnsituation bedanken. Diese hat sich in den letzten Tagen nicht wesentlich verändert, zärtlich aufkeimende Ambitionen die Küche in eine Wohlfühloase umzuwandeln wurden nach einer dreistündigen Attacke auf den Abwasch (erfolglos) gnadenlos niedergeschlagen, man ist beinahe ein bissl versucht selbst zum Schweindl zu werden.



So kam es, dass ich mich inzwischen auf einer schier endlosen Wohnungssuche befinde, zusammen mit einer multikulturellen Gruppe die, so leid es mir tut, aber immer Mitglieder an die eine oder andere Unterkunft verliert. Beim Besichtigen einiger Häuser musste ich mehrmals befürchten einem plötzlichen Herztod erlegen zu sein, das Paradies schien in jedem Fall zum Greifen nah, ein Nahtoderlebnis der besonderen Sorte. So hoffe ich möglichst bald ein passendes Quartier und somit auch etwas wie einen inneren Frieden zu finden.



Trotzdem waren die ersten Tage auf der Uni sehr vielversprechend, die Anlage ist sehr grün, die Gebäude sehr rot, die Menschen blass und spärlich bekleidet. Es ist beinahe erschreckend, in wie vielen Fällen die handelsüblichen Stereotypen zutreffen, so glaubt man an jeder Ecke Wayne Rooney entdeckt zu haben. Zudem wurde mir auf dem Heimweg das Privileg der Sichtung des ersten transparten Menschen zuteil, mutig gestylt, nabelfrei of course. Doch der Empfang an der Uni geriet überaus herzlich, auch wenn selbst Native Speakers Probleme haben mögen, eine offenbar hochtalentierte spastische ERASMUS-Koordinatorin zu verstehen, meine französische Mitbewohnerin konnte nicht einmal den Mund schließen vor Entzücken. Aber innerhalb weniger Stunden findet man sich in einer wahren Multikulti-Truppe wieder, sei es die deutsche Öko-Uschi, der spanische Schnautzbart-Träger, ein Australier der Schrift-Design studiert oder ein Saudi der sich zum Heavy-Metal-Bad-Boy berufen fühlt. Tag für Tag kommen neue Bekanntschaften hinzu, und es ist wirklich schade dass die Freundschaften in gewisser Weise zeitlich befristet sind. Andererseits wird dadurch auch die Zeit viel intensiver genutzt, was speziell die letzten zwei Tage gezeigt haben. War die Quiz-Night noch ein eher lauwarmer Abklatsch eines Pub-Quiz so war die Bollywood-Night in der Students Union-Bar (eigene Disko/Club am Campus) schlicht und ergreifend der Hammer. 300 Studenten, die einem Inder auf der Bühne alles nachmachen wie die Lemminge, springen, schreien und winken, ergeben ein Bild dass sich wohl für immer in mein Hirn einbrennen wird. Ganz nebenbei wurde natürlich wieder vergährter Weizensaft kredenzt und nach dem viel zu jähen Ende der Veranstaltung (11!!!) war natürlich niemand bereit sich in die Gemächer zu begeben. So lud ich zum großen Fest im Mellor Walk 12, meinem fürstlichen Domizil. Bier und Wein wurde an der Tankstelle für gutes Geld erworben (25 Pfund pro Steige), der Rauchmelder von der Küche in den Garten ausgelagert und die Flasche Wodka, die ein Studienkollege "zufällig" an Bord hatte geköpft. Alles in allem ein rauschendes Fest bis fünf Uhr morgens, Telefonnummern wurden ausgetauscht und Pläne für die Freshers' Week nächste Woche geschmiedet. Daraus resultierte zwar dass es mir nicht möglich war bis Mittag meine etwas verklebten Äuglein zu öffnen.Der Tag verlief trotzdem sehr erfolgreich, habe endlich einen Super-Market entdeckt, sogar Obst war im Einkaufskorb aufzufinden. Rückblickend muss ich übrigens erwähnen, dass ich mir nicht zu schade war Freitag Abend die Einkäufe einer anderen Tankstelle auf der Eingangtreppe eines Krankenhauses zu verzehren, es scheint als wäre der Santler in mir nur schwer zu kontrollieren. Der Virus scheint jedoch bereits in meinem Umfeld zu grassieren, so war ich keineswegs allein sonder erneut von einer illustren Gruppe umgeben. Wie ihr hört und lest, meine Lieben, geht es mir sehr gut ihr, auch wenn mir die Heimat natürlich fehlt. Ich freue mich in jedem Fall von Euch zu hören und werde auch weiterhin versuchen, Euch ein bisschen mit meinen Einträgen zu erheitern!

Donnerstag, 27. September 2007

Anreise in Reading - Day one

Hallo meine Lieben - Hello my dear!

Wie wohl viele von Euch wissen sollten, hat es mich ins zauberhafte England verschlagen, in ein entzückendes Nest namens Reading, Heimat der Durchschnittlichkeit und der gewöhnungsbedürftigen Behausungen. Zu Beginn möchte ich jedoch gleich festhalten, dass ich diesen Blog nicht ohne Grund von Zeit zu Zeit niederschreibe, so sind ja die Pläne einer Laufbahn als freischaffender Künstler und Schriftsteller noch nicht zu hundert Prozent in den Abgründen des wirtschaftlich geprägten Gehirns verschwunden, zudem verschwindet so manch andere Erinnerung doch gar so gerne im Sumpfe des übermäßigen Alkoholkonsums. Wie ihr also erkennen könnt, hat dieser Blog keinesfalls den Zweck, Euch, meine Lieben, zu unterhalten, nein, vielmehr gilt es für mich ein Ventil zu schaffen, dass mir das Leben hier erleichtern soll und auch noch in ferner Zeit ein Schmuntzeln ins Gesicht zaubern soll.

Wie also hat der Grünling seine Anreise erlebt? Nun, so mancher mag sich vielleicht schon selbst in ähnlicher Situation wiedergefunden haben oder kann es sich zumindest vorstellen. Meine Anreise erlebte ich als beinahe unwirkliches Erlebnis, zuerst die Tränen meiner Mutter am Flughafen, die mich auch selbst im tiefsten Inneren berührten, kurz darauf der komatöse Schlaf an Board der Ryanair (extrem unwirklich wenn man den fehlenden Alkoholpegel bedenkt), keine zwei Stunden später die Euphorie, sein Leben jetzt selbst in die Hand zu nehmen. Als ich mich schließlich als nicht sonderlich versierter Fremdenführer in London versuchen konnte, kannte die Euphorie keine Grenzen mehr. Ein kurzes Zögern musste ich mir schließlich selbst zugestehen, hatte ich doch selbst die falsche U-Bahnlinie zum Bahnhof Reading gewählt, aber ob man nun sechs oder fünfzehn Stationen in der Londoner Rush-Hour genießt, ist schließlich zweitrangig. Kurz darauf sollte sich mir erneut ein kleines Stolpersteinchen in den Weg legen, nämlich die fehlende Erreichbarkeit meines Herrn Vermieters. Doch nicht verzagen, den jungen Herrn Grün fragen. Dieser wand sich sofort an die Frau des Verschwundenen und erkannte etwas spät, dass der Engländer im Zuge seiner Überlegungen gerne mit sich selbst spricht - ein Umstand der den Gesprächspartner aufgrund unzähliger "What?? Pardon???" durchaus zu irritieren vermag. Wie dem auch sei, mein Pick-Up-Dienst hatte also versagt, so beschloss ich, zu bekannten Verhaltensmustern zurückzukehren, also mich mit ein paar Bierchen im Pub selbst zu besänftigen alles a bissl easier zu taken, man!! 3 Pints später war es dann soweit, mein Vermieter, Mr. Hooper las mich auf. Sofort muss ich feststellen dass er einer jener Menschen ist, bei denen es einem Leid tut dass sie einen versetzt haben, denn der Stress blickte einem aus jedem Augenring und weißem Barthaar entgegen. Kenner meiner Person werden die Ursachen meiner Solidarität und meines Mitgefühl vermutlich sofort erkennen.

Nach Betreten der Unterkunft ließ diese innere Sanftmut jedoch sehr plötzlich nach, eine Küche, die jeder Beschreibung trotzt (dass Putin seine Bomben in Backrohren testet...) und ein Badezimmer, das jene von Versailles zu dessen ärgsten Zeiten in den Schatten stellt, können schon am Nervenkostüm rütteln, ich danke Gott dem Herrn dass er das Bier erschaffen hat und mich bereits im Entspannungsmodus für die Ankunft eingetragen hatte. Als dann auch noch einen vollkommen verstörte zukünftige Mitbewohnerin aus Frankreich, deren Namen ich mir ebenso leicht merke wie chemische Verbindungen, aus ihrem Zimmer lugte, wusste ich: Stoffl, you are at home. In mir stiegen Gedanken von verweichlichten Managern auf, die in ihren laxen Survival-Trainingscamps nach der Rettung ihrer Seele suchten, dabei findet sich diese ganz offensichtlich in den Küchen und Bädern Englands (ich hoffe, hiermit nicht eine Woge neuer Camps loszutreten). Mein Camp Survivor! Als mir schließlich mein Schlafgemach präsentiert wurde (kurz nach der Info: Dusche is nich ne Woche) legte sich die Anspannung, denn zweifelsfrei war ich das einäugige Huhn unter den Blinden, so verfüge ich zwar nicht über Polster aber Decken aber zumindest über einen sauberen Boden (es bestraft sich jedoch jeder selbst, der es wagt das Bett einen Millimeter zu verschieben). Um der Lage endgültig Herr zu werden, griff ich erneut zu Budweiser und Zigaretten, eine Kombination, die einen dem Schlaf ganz gewiss näher bringt. Im Grunde beruhigte mich jedoch der Gedanke am meisten, dass erstens die Lage mehr oder weniger perfekt war, zweitens die Mitbewohner bis auf fehlende Reinlichkeit durchaus sympathisch waren und drittens das Leben hier wohl erst mit der Welcome-Week und dem Uni-Betriebs so richtig in Gang geraten würde. Berichte über spastische ERASMUS-Berater, einen ersten Stadt- und Unibesuch gibt es in Kürze.